Bitte beachten Sie, dass eine Publikation mehreren Endpunkten zugeordnet sein kann, d.h. die Summe der Publikationen aus den einzelnen thematischen Punkten und Unterpunkten kann größer als die Gesamtsumme der tatsächlichen Publikationen sein.
In einer Studie von Wertheimer und Leeper wurde 1979 erstmals ein möglicher Zusammenhang zwischen der häuslichen Exposition bei niederfrequenten Magnetfeldern der Stromversorgung, insbesondere von Hochspannungsfreileitungen, und dem Auftreten von Leukämie im Kindesalter beobachtet. Seitdem wurden viele weitere epidemiologische Studien durchgeführt. Die Ergebnisse dieser Studien sowie der gepoolten Studien zeigen ein erhöhtes Risiko für Kinderleukämie bei magnetischen Flussdichten über 0,3–0,4 µT.
Aufgrund dieser epidemiologischen Studien stufte das internationale Krebsforschungszentrum (IARC) der Weltgesundheitsorganisation (WHO) im Jahr 2002 niederfrequente Magnetfelder in die Klasse 2B möglicherweise krebserregend ein (IARC Monographs Vol. 80). In der Bewertung der WHO (2007) wurde der Schluss gezogen, dass die Ergebnisse neuer epidemiologischer, tierexperimenteller und in vivo-Studien diese Eingruppierung nicht verändert.
Leukämie ist eine bösartige Erkrankung im Knochenmark, dem Ort der Blutbildung. Charakteristisch für die Leukämie ist eine ungehemmte Vermehrung unreifer weißer Blutzellen (Leukozyten). Es werden je nach Zellart lymphatische und myeloische Leukämien unterschieden, die entweder akut oder chronisch verlaufen können Kinderkrebsinfo) .
Die häufigste Leukämie-Art bei Kindern ist die akute lymphatische Leukämie (ALL). Bei ihr findet eine unkontrollierte Vermehrung der unreifen Vorläuferzelle der Lymphozyten statt, die eine besondere Funktion in der Immunabwehr des Körpers haben. Die Behandlungsmethoden haben sich in den letzten Jahrzehnten sehr verbessert. Etwa 90% der Patienten leben mindestens 5 Jahre nach der Diagnosestellung krankheitsfrei (Kinderkrebsinfo).
Die Ursachen der akuten lymphatischen Leukämie sind weitgehend unbekannt. Bisher bekannte Risikofaktoren sind genetische Veränderungen (z.B. Trisomie 21), ionisierende Strahlen, chemische Substanzen (z.B. Benzol) und Medikamente (z.B. Zytostatika). Nach heutigem Wissensstand müssen verschiedene Faktoren zusammenwirken, bevor eine akute lymphatische Leukämie entsteht.
Insgesamt erkranken rund 1.800 Kinder in Deutschland jährlich vor ihrem 15. Geburtstag an Krebs (German Childhood Cancer Registry - Report 2013/14). Die häufigste Krebsart ist die Kinderleukämie, die etwa ein Drittel der Krebserkrankungen bei Kindern ausmacht.
Leukämie im Kindesalter ist eine vergleichsweise seltene Krankheit, weltweit erkranken etwa 49.000 Kinder pro Jahr neu. In Deutschland sind es ca. 600 Fälle von Kinderleukämie pro Jahr. Auf die Anzahl der Kinder in Deutschland bezogen bedeutet dies, dass etwa 1 Kind von 1.200 Kindern im Alter bis zu 15 Jahren neu an Kinderleukämie erkrankt pro Jahr (siehe Grafik).
Der in den Studien ermittelte Wert für ein erhöhtes Risiko für Kinderleukämie liegt bei magnetischen Flussdichten über 0,3–0,4 µT (siehe Warum wird Kinderleukämie untersucht?). Eine häusliche Exposition bei magnetischen Flussdichten von mehr als 0,3 µT tritt bei etwa 1–4% aller Kinder in Deutschland auf. Sie setzt sich zu einem Drittel aus Quellen außerhalb der Wohnungen (z.B. Hochspannungsfreileitungen) und zu zwei Dritteln aus häuslichen Quellen wie z.B. Haushaltsgeräte zusammen.
Wenn der Zusammenhang zwischen Exposition bei niederfrequenten Magnetfeldern und Kinderleukämie kausal wäre, dann könnten weltweit 100 bis 2.400 Fälle pro Jahr auf die Magnetfeld-Exposition zurückgeführt werden. Für Deutschland hieße dies, dass 6 von 600 Kinderleukämie-Fällen pro Jahr auf die Magnetfeld-Exposition zurückzuführen wären, davon 2 Fälle aufgrund der Expositionsquellen außerhalb der Wohnung und 4 Fälle aufgrund der Exposition innerhalb der Wohnung (Schüz, 2011). Diese Zahlen werden in der folgenden Grafik veranschaulicht.
Der Zusammenhang, der in den epidemiologischen Studien zwischen der häuslichen Exposition bei niederfrequenten Magnetfeldern und dem Auftreten von Kinderleukämie gefunden wurde, muss nicht ursächlich sein, er kann auch aufgrund von Zufall, systematischen Fehlern wie Selektionsbias oder einem noch unbekannten Confounder zustande kommen (WHO, 2007).
Im Allgemeinen werden bei der Untersuchung eines Risikofaktors für Krebs zusätzlich zu den epidemiologischen Studien auch in vitro-Studien und tierexperimentelle Studien durchgeführt, um Hinweise auf die Entstehung von Krebs zu bestätigen, Wirkungsmechanismen aufzudecken und Hypothesen zu überprüfen. Insbesondere bezüglich schwacher und somit schwieriger nachweisbarer Wirkungen liefern Tier- und in vitro-Studien aufgrund der Möglichkeit einer standardisierten Durchführung im Labor und großer Stichproben oft verlässlichere Ergebnisse als epidemiologische Untersuchungen. Ihr Nachteil besteht aber wiederum in der Schwierigkeit der Übertragbarkeit der Ergebnisse auf den Menschen.
Bisher wurde in den tierexperimentellen Studien und in vitro-Studien kein zugrunde liegender Wirkungsmechanismus aufgedeckt, der die Entstehung von Leukämie bei schwachen niederfrequenten Magnetfeldern erklärt. Es existiert kein adäquates Tiermodell für akute lymphatische Leukämie. Die Ergebnisse der epidemiologischen Studien zu Kinderleukämie und Exposition bei niederfrequenten Magnetfeldern konnten bislang nicht durch tierexperimentelle Studien bestätigt werden (WHO, 2007). Expertengremien und Autoren haben die Publikationen zu der Exposition bei niederfrequenten Magnetfeldern und dem Risiko für Kinderleukämie in folgenden Stellungnahmen, Reviews und Meta-Analysen umfassend zusammengefasst und bewertet:
Die WHO hat die Durchführung von neuen gepoolten Analysen unter Einbeziehung der neueren epidemiologischen Studien zu Kinderleukämie und niederfrequenten Magnetfeldern, die Entwicklung von transgenen Tiermodellen zur Untersuchung der Kinderleukämie mit niederfrequenten Magnetfeldern sowie die mögliche kokarzinogene Wirkung von Magnetfeldern mit hoher Priorität eingestuft (WHO Research Agenda, 2007).
Aktuelle Forschung findet z.B. im Rahmen des europäischen Gemeinschaftsprojekt ARIMMORA (Advanced Research on Interaction Mechanisms of electroMagnetic exposures with Organisms for Risk Assessment) statt, das im 7. Forschungsrahmenprogramm von der Europäischen Kommission gefördert wird. Ziel des Projekts ist es, den möglichen Wirkungsmechanismus von niederfrequenten Magnetfeldern auf die Entstehung von Krebs, insbesondere von Kinderleukämie mit Hilfe von neuartigen experimentellen und computergestützten Methoden sowie weiterentwickelten zell- und tierexperimentellen Untersuchungen unter genau definierten Expositionsbedingungen zu untersuchen. An dem Projekt (Beginn: Oktober 2011) sind Forschergruppen aus Deutschland, der Schweiz, Frankreich, Italien, Spanien und Israel beteiligt.
Um diese Webseite für Sie optimal zu gestalten und fortlaufend verbessern zu können, verwenden wir Cookies. Durch die weitere Nutzung der Webseite stimmen Sie der Verwendung von Cookies zu.